Zweierlei Maß für Politiker-Plagiate
Der Philosophische Fakultätentag hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt mit dem Thema von Plagiaten in Dissertationen auseinandersetzen müssen. In der Öffentlichkeit sind dabei vor allem Politikerplagiate präsent. Auch wenn sie in Wirklichkeit nur einen Bruchteil der Fälle darstellen, mit denen sich die Fakultäten zu beschäftigen haben, ziehen sie große Aufmerksamkeit auf sich.
Kürzlich hat der ehemalige Berliner Wissenschaftssenator George Turner im Tagesspiegel beklagt, dass bei Politikern mit zweierlei Maß verfahren wird. Turner stellt insbesondere den Fall Schavan, in dem seiner Meinung nach zu Unrecht der Titel entzogen wurde, dem Fall Giffey gegenüber, in dem die notwendigen Konsequenzen nicht gezogen wurden:
Der Blog des PhFT bietet eine willkommene Möglichkeit, meinen unter diesen Artikel gefügten Kommentar zu diesen Behauptungen erneut zu publizieren und damit sichtbarer zu machen:
Widerspruch
Nachdrücklich zustimmen möchte ich dem Satz: "Bei nachgewiesenen Plagiaten gibt es nur die Konsequenz Aberkennung des Titels". Genau deshalb musste 2013 die Düsseldorfer Fakultät, deren Dekan ich damals war, den Titel entziehen. Dass die Fakultät dabei von einer zutreffenden Feststellung der Täuschung durch Plagiat ausging, wurde ihr durch das anschließende, von Frau Schavan veranlasste verwaltungsgerichtliche Verfahren bescheinigt. Die Annahme, die Fakultät sei übereifrig gewesen, um ihre mangelnde Reputation zu kompensieren, hätte der Autor für sich behalten dürfen. Die ebenfalls getätigte Behauptung, das damalige Promotionsverfahren sei nachlässig betrieben worden, kann ich mir kaum erklären. Sie beruht vermutlich auf kolportierten Aussagen über das fehlende Promotionsrecht der damaligen pädagogischen Lehrstuhlinhaber, hätte in diesem Fall aber keinerlei Fundament. Das Mysterium der Unterschiede zwischen den Entscheidungen in den Fällen Schavan und Steffel einerseits und im Fall Giffey andererseits erklärt sich schlicht damit, dass das eine mal nach anerkannten hochschul- und promotionsrechtlichen Kriterien entschieden wurde, das andere mal nicht.
Prof. Dr. B. Bleckmann
Gleichzeitig verdient auch die Erwiderung meines damals als Prodekan amtierenden Kollegen Prof. Dr. Stefan Rohrbacher deshalb besondere Erwähnung, weil er einige zusätzliche Hintergründe beleuchtet:
Nicht zum ersten Mal äußert George Turner zum Fall Schavan "Thesen", bei denen es sich nur um Unterstellungen handelt: Unserer Fakultät sei "Nachlässigkeit im Promotionsverfahren" nachzuweisen gewesen, und es entstehe der Eindruck, sie habe Härte gezeigt, "vielleicht um fehlende fachliche Reputation zu ersetzen". Schon im Januar 2013, nach der Eröffnung des Aberkennungsverfahrens durch die Fakultät, hatte er behauptet: "Der Fehler der Doktorandin ist, dass sie Annette Schavan heißt und Bundesbildungsministerin ist." Die Überschrift lautete damals ebenso schlicht: "Die Uni ist schuld".
Doch der ehemalige Berliner Wissenschaftssenator war schon früher mit der Angelegenheit Schavan befasst. Im Sommer 2012, als noch kein Außenstehender ahnen konnte, in welche Richtung sich die Sache entwickeln würde, bemühte er sich telefonisch in Düsseldorf um die richtige Weichenstellung. Er war nur einer von vielen Mächtigen und Hochmögenden, die uns damals auf die Sprünge helfen wollten. Seine Anrufe sind in bleibender Erinnerung wegen der besonderen Diktion und der von Turner offen ausgegebenen Devise: Es gehe jetzt darum, die Ministerin zu retten. Sein völliges Desinteresse an der Sachfrage (ob der Plagiatsvorwurf zutreffend und gravierend war oder nicht) war offenkundig.
Ich war damals Prodekan unserer Fakultät und hatte die undankbare Aufgabe, das Verfahren vorzubereiten. Frau Schavan hat einer Offenlegung der Verfahrensunterlagen leider ihre Einwilligung verweigert. Öffentlich ist aber das sehr ausführliche schriftliche Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, aus dem sich viele der Fragen, an denen George Turner kein Interesse hat, fundiert beantworten lassen.
Prof. Dr. S. Rohrbacher
Der Althistoriker Prof. Bruno Bleckmann lehrt an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf und ist Delegierter des Philosophischen Fakultätentages.
Zuletzt veröffentlichte Bruno Bleckmann mit Jonathan Groß in der Reihe Kleine und fragmentarische Historiker der Spätantike die Edition Eutropius: Brevarium ab urbe condita
Der nebenstehende Text steht hier auch als PDF zur Verfügung: Zweierlei Maß für Politiker