Der Philosophische Fakultätentag sieht in dem Eckpunktepapier der Bayerischen Staatsregierung Chancen, aber auch gravierende Risiken für die bewährte Qualität der bayerischen Hochschullandschaft. Dabei sind besonders hervorzuheben:

  • Transfer als Aufgabe von Hochschulen darf nicht zulasten ihrer Kernaufgaben Forschung und Lehre gehen.
  • Die zentrale Rolle der Fakultäten und die Mitsprache der Statusgruppen sind nicht verhandelbar.
  • Ein Gesamtbudget droht zu einer Verschiebung von Mitteln zulasten von Forschung und Lehre und zur Schlechterstellung einzelner, besonders Kleiner Fächer zu führen.
  • Eine Gesamtdeputatsverordnung könnte durch willkürliche Deputatserhöhungen die Forschung in einzelnen Bereichen entscheidend schwächen.
  • Die vorgeschlagenen Veränderungen in der Governance drohen zu einer signifikanten Mehrbelastung der Verwaltungen und zum Verlust von Mitsprachemöglichkeiten der Wissenschaft zu führen.

Der Philosophische Fakultätentag begrüßt es, wenn die bayerische Staatsregierung an „Deregulierung“ und „größtmögliche Freiheit“ als Kriterien einer erfolgreichen Hochschulpolitik festhält. Freiheit entfaltet sich nur ohne bürokratische Hemmnisse, Freiheit ist zugleich die Voraussetzung für innovative Forschung und Lehre. Mit gutem Grund ist die Freiheit von Forschung und Lehre als konstitutives Merkmal unserer demokratischen Gesellschaft grundgesetzlich garantiert. Sie hochzuhalten ist in einer Zeit der wachsenden Systemkonkurrenz mit autoritären Regimen die Aufgabe aller westlichen Demokratien.

Die vorgeschlagenen Reformen sind aber zu großen Teilen nicht geeignet, Bayerns Hochschulen auf die Herausforderungen der Zukunft vorzubereiten. Sie garantieren auch nicht die Freiheit von Forschung und Lehre. Sie bedrohen im Gegenteil die erfolgreiche Arbeit der bayerischen Hochschulen im Kern.

Die Wissenschaftsfreiheit ist der Rahmen, innerhalb dessen Grundlagenforschung gedeiht. Durch die Erweiterung von Forschung und Lehre zu dem Dreiklang „Forschung, Lehre, Transfer“ werden die beiden ursprünglichen und eigentlichen Aufgaben der Universitäten abgewertet. Der Philosophische Fakultätentag begrüßt jede Initiative zum Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in Wirtschaft und Gesellschaft. Dieser Transfer, den die bayerischen Universitäten bereits in großem Umfang leisten und dessen Bedeutung unumstritten ist, darf jedoch nicht Grundlagenforschung und Lehre schwächen, indem er ihnen gleichgestellt wird und ihren Raum beansprucht. Die Ausrichtung der Universitäten auf unmittelbare Verwertbarkeit ihrer Forschungen mag kurzfristig Gewinn versprechen, gefährdet aber langfristig den Wissenschaftsstandort in den Geisteswissenschaften genauso wie in Naturwissenschaften und Technik.

Der Freiheit in Forschung und Lehre muss an staatlich finanzierten Hochschulen ihre Verantwortlichkeit dem Landtag gegenüber entsprechen. So richtig es ist, die Parameter von Freiheit und Verantwortung zu betonen, so wichtig ist es, nicht zu vergessen, dass die Universitäten auch hoheitliche Aufgaben wahrnehmen, etwa bei der Abnahme staatlicher Prüfungen. Auch darüber hinaus erfüllen die Universitäten gesellschaftlich relevante Aufgaben. Es hat also seinen guten Grund, dass der Landtag als Vertreter des Souveräns seine demokratische Kontrollfunktion ernst nimmt. Eine externe Governance der Hochschulen, die nur noch den Präsidien und dem Hochschulrat die Entscheidung über Struktur, Fächerkanon und Schwerpunktbildung überlässt, ist damit nicht zu vereinen. Weichenstellungen, die nicht nur für unsere Gesellschaft, sondern auch für unseren Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort zentral sind, darf der Landtag keinesfalls Gremien und Entscheidungsträgern überlassen, die demokratisch schwach oder gar nicht legitimiert sind.

Die zentrale Rolle der Fakultäten als Träger von Lehre und Forschung ist genauso wenig verhandelbar wie die Mitsprache der Statusgruppen. Die innere Verfasstheit der Universität („interne Governance“) darf nicht in das Belieben des womöglich von außen besetzten Hochschulrats gestellt werden. Die universitären Gremien mit der Beteiligung aller Statusgruppen sichern die Mitsprache vieler und verhindern Fehlentscheidungen. Universitäten leisten ihren gesellschaftlichen Beitrag auch durch ihre Vielstimmigkeit und Offenheit.

Wesentliche Elemente des Eckpunktepapiers würden die Leistungsfähigkeit der bayerischen Universitäten und die hohe Qualität von Forschung und Lehre in Bayern beschädigen. Das Gesamtbudget bedroht kleine Fächer, die Ausschaltung von Ministerium und Landtag verlegt Verteilungskonflikte in die Hochschulen und legt Entscheidungen in die Hände wissenschaftsfern besetzter Hochschulräte. Die Gesamtdeputatsverordnung kann die Forschung in bestimmten Bereichen durch willkürliche Deputatserhöhungen behindern. Die Möglichkeit, Beschäftigungsverhältnisse außerhalb von Tarifverträgen und Anstellungen ohne Verbeamtung einzuführen, bedroht die tarifrechtliche Sicherheit der Beschäftigten und die auch durch das Beamtenverhältnis geschützte Freiheit der Forschung und Lehre. Volluniversitäten leben von ihrer Fächervielfalt; auch kleine Fächer sind mitunter forschungs- und drittmittelstark. Die Universitäten wollen diese Vielfalt bewahren und weiterentwickeln. Das können sie nur im gleichberechtigten Austausch innerhalb der Fakultäten und innerhalb der Gesamtuniversität.

Nicht nur in Forschung und Lehre, auch im Bereich der Verwaltung führt das Papier zu neuen Problemen. Die Einführung neuer Verwaltungsstrukturen würde die meisten Hochschulen organisatorisch und personell überfordern; der Wegfall der Mitnutzung staatlicher Infrastruktur (z.B. der Landesämter für Finanzen) hat einen Nutzen weder für die Universitäten noch für das Land Bayern.

Die Einbindung in staatliche Infrastrukturen ist einer der Vorteile staatlicher Universitäten gegenüber privaten. Warum sollte man die weiterhin staatlich finanzierten Hochschulen ausgerechnet in diesem Punkt privaten gleichstellen?

Die im Eckpunktepapier vorgesehene „interne Governance“ würde Berichtspflichten in Finanzierungsfragen und Qualitätssicherung nach sich ziehen und damit Mittel binden, die im Rahmen eines Gesamtbudgets in Forschung und Lehre, und auch für den Wissenstransfer, fehlten.

So behindern viele der vorgeschlagenen Maßnahmen die effektiv und zukunftsorientiert arbeitenden Hochschulen. In der High-Tech-Agenda hat die Staatsregierung bewiesen, dass sie die Herausforderungen der Digitalisierung anzunehmen bereit ist; umso wichtiger wäre es, wolkige Formulierungen wie „digitale DNA“ als „Bestandteil des bayerischen Hochschulwesens“ präziser zu fassen und in konkrete Maßnahmen zu überführen.

Wo Reformen einer effektiveren Zusammenarbeit von Wirtschaft, Gesellschaft und Hochschulen nutzen können, begrüßen wir sie ausdrücklich.
Das Eckpunktepapier tut dies nicht und droht, großen und womöglich irreparablen Schaden in einer bis heute nicht nur bundesweit herausragenden Hochschullandschaft anzurichten.

 

 

Die Stellungnahme können Sie hier als PDF herunterladen.

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